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Von: Patrick Freiwah
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Neuer Trend bei der Gasversorgung für Europa: Russland nähert sich der Position als Hauptlieferant, während die LNG-Transporte aus den USA deutlich zurückgehen.
Moskau/Washington - Der Beginn des Ukraine-Kriegs leitete auch eine Wende auf dem europäischen Energiemarkt ein: Im Zuge wirtschaftlicher Sanktionen sagten sich Deutschland und weitere Staaten Westeuropas offiziell von russischen Öl- und Gaslieferungen los, um den Kreml für den Einmarsch ins Nachbarland zu bestrafen.
Seitdem wurde ein Großteil der Importe durch LNG-Lieferungen aus den USA ersetzt, die zügig zu einem wichtigen Gaslieferanten für die EU wurden. Doch 2024 findet eine Wende zum altbekannten Muster statt: Russland scheint kurz davor, für Europa der wichtigste LNG-Lieferant zu werden.
LNG für Europa: USA liefern weniger, Russland konstant
So war Russland laut Bloomberg im Juli nahe dran, die Vereinigten Staaten als Europas größter Lieferant von Flüssigerdgas zu überholen. Noch im Januar exportierten die USA 5,2 Millionen Tonnen Flüssigerdgas (LNG) nach Westeuropa, im Juli sind die Exporte auf nun 1,5 Mio. Tonnen geschrumpft, das entspricht einem Rückgang von 70 Prozent. Nordamerika und Russland befinden sich somit aktuell etwa auf einer Stufe, nachdem die USA zuvor klar Spitzenreiter waren:
Im Vergleich zum Rückgang der USA sind die LNG-Lieferungen aus Russland stabil und bewegen sich im bisherigen Verlauf des Jahres zwischen 1,1 und 1,6 Millionen Tonnen pro Monat, verdeutlicht eine entsprechende Grafik im Bericht. So exportierte Russland im Juli etwa 1,3 Millionen Tonnen LNG nach Westeuropa, wobei der Unterschied zu US-Lieferungen Bloomberg zufolge die niedrigste Differenz seit 2021 ist.
Russland liefert Gas nach Europa - per Frachter und über Pipelines
Seit Beginn des Ukraine-Krieges hatte die EU den Anteil an Gasimporten aus Russland, einschließlich LNG und Pipeline-Gas reduziert, um die russische Führung im Kreml wirtschaftlich für das Vorgehen in der Ukraine zu bestrafen.
Während der Anteil russischen Pipeline-Gases für den europäischen Markt vormals auch aufgrund des bemerkenswerten Nord-Stream-2-Scheiterns drastisch gesunken ist, nahmen die LNG-Importe aus Russland 2024 massiv zu, schilderte The Brussels Times vor wenigen Monaten. Und auch jetzt setzt Russland seine Gaslieferungen nach Westeuropa sowohl über Pipelines als auch LNG konstant fort.
LNG vermehrt nach Asien, weniger nach Europa
Was bedeutet dieser Trend für die Energieversorgung Europas? Erfahrungen zeigen, dass es geopolitisch fatal sein kann, sich auf einen Lieferanten zu verlassen: Die starke Abhängigkeit erwies sich bei Russland als problematisch, als der schon lange schwelende Ukraine-Konflikt eskalierte.
Nach Kriegsbeginn im März 2022 waren die hohen Preise für amerikanisches LNG nach Europa plötzlich besonders profitabel, allerdings hat sich das Geschäft inzwischen verlagert: LNG-Tanker der USA steuern zunehmend Asien an, das zuletzt von starken Hitzewellen betroffen war und einen höheren Bedarf anmeldete. Auch Ägypten wird für Juli als Abnehmer genannt, der aufgrund sinkender Eigenproduktion von Gas zuletzt mehr Energie aus den USA bezog (und das laut Bloomberg zu höheren Preisen als Europa).
Europas Energieversorgung noch länger von Russland abhängig?
Allerdings kann die höhere Nachfrage andernorts auch dadurch bedient werden, weil sich der Gasbedarf in Europa in den Sommermonaten merklich entspannt hat. In Richtung des Winters könne der Kampf um LNG-Lieferungen jedoch „intensiv“ werden, wodurch ein Preisanstieg die Folge sein dürfte.
Sollte sich der Wettbewerb um Gas tatsächlich verschärfen, könnte es für Europa angesichts des Preisdrucks neuerlich schwierig werden, auf Energie der Russischen Föderation zu verzichten. Dieser Grund dient auch als Antwort auf die Frage, warum die Europäische Union nach wie vor kein Einfuhrverbot für Gasimporte aus Russland verhängt.
Jedoch hat die EU Schritte unternommen, um die Abhängigkeit von russischer Energie zu verringern - durch eine allmähliche Reduzierung der Importe und Suche nach alternativen Lieferanten. Dass hierbei das Frackinggas der USA keine Dauerlösung ist, daran lassen Forscher und Umweltschützer keinen Zweifel:
LNG „extrem schädlich“ - von einer Abhängigkeit in die nächste
2023 waren laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) 70 Prozent des hierzulande importierten LNG aus den USA. Die Energieform sei „extrem schädlich für Umwelt, Klima und Gesundheit“ und daher zu Recht verboten - was jedoch nicht für den Import gilt. Auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und die UNESCO verweisen auf den ökologischen Schaden.
Die LNG-Importe aus den USA in die EU hätten sich im Vergleich zu 2021 von 22 auf 64 Milliarden Kubikmeter nahezu verdreifacht, wodurch die Vereinigten Staaten wirtschaftlich von der Loslösung von russischem Gas profitieren. Laut DUH wurden in dieser Zeit Fracking-Gebiete in den USA deutlich ausgeweitet. „Mit deutschem Geld werden die US-Exportanlagen finanziert und deutsche Unternehmen wie RWE schließen Lieferverträge, die uns noch bis in die 2040er Jahre an den Import von Fracking-Gas binden sollen“, so eine DUH-Mitteilung.
Positive Nachrichten gibt es derweil im Bereich erneuerbare Energien. (PF)